Rede
des Co-Vorsitzenden der HDP, Selahattin Demirtaş, auf der Begräbniszeremonie
für den ermordeten Vorsitzenden der Anwaltskammer von Diyarbakır (Amed), Tahir
Elçi:
Möge
Gott uns allen ein solch aufrichtiges Leben und einen solch aufrichtigen Tod
zuteilwerden lassen. Es ist nicht wichtig, wie wir getötet wurden, sondern wie
wir gelebt haben. Wir werden jede Sekunde unseres Lebens in Verbundenheit mit
den Werten unseres Volkes verbringen. So sagte es Elçi. Elçi hat bis zur
letzten Sekunde seines Lebens den Frieden hochgehalten. Das ist sein Erbe an
uns.
Wir
haben in unserem Land viel Leid erlebt, Blut und Kriege gesehen. Jeden Tag
hatten wir Begräbnisse, vor Leichenhallen sind wir aufgewachsen.
Wir
nehmen dies nicht als unser Schicksal hin, eines Tages wird es Frieden in
unserem Land geben.
Darauf
werden wir beharren. Die letzten Worte von Elçi sind die Fahne des Friedens,
die wir weitertragen werden. Wir wollten kein Blutvergießen, keinen Krieg,
keinen Tod. Wir wollten frei in unserem Land leben.
Die
Wahrheit tut weh, aber jemand muss sie aussprechen. Elçi wusste, dass es nichts
bringt, die Wahrheit zu verstecken. Sie auszusprechen, fordert seinen Preis.
Unter
allen Bedingungen braucht es Mut, kein Fähnchen im Wind zu sein, es erfordert
die Bereitschaft, einen Preis zu zahlen.
Elçi
war klar, dass er nicht in seinem Bett sterben würde. Sind wir denn nicht alle in
diesem Bewusstsein los gezogen? Damit unsere Kinder und Enkel in ihren Betten
in Frieden sterben können, setzen wir unser Leben ein. Mit dem Tod können sie
uns nicht abschrecken.
Wie
seine liebe Ehefrau es sagte: Elçi wird von Tausenden, Zehntausenden empfangen,
deren Mörder im Dunkeln geblieben sind. Sie sind uns alle nah, sie haben alle die
gleiche Geschichte. Ihre Geschichten sind wie das Land Kurdistan voller Leid.
Die leidvolle Geschichte eines jeden Einzelnen ist die Geschichte unseres
Landes.
Wir
übergeben dich an Gott. Welch ein Glück, dass wir hunderttausende Freunde
haben. Kurden und Türken, Hunderttausende, die an die Demokratie glauben, klagen
heute über deinen Tod.
Wir
bezweifeln, dass dieser politische Mord je ganz aufgeklärt wird. Unsere Zweifel
sind berechtigt, in der Vergangenheit haben wir so viel ähnliches Leid erlebt.
Von keinem der Toten konnten wir uns mit der Gewissheit verabschieden, dass die
Täter gefasst werden.
Denn
dieser Staat war niemals unser aller Staat. Alle haben sie den Staat wie ihr
Eigentum benutzt. Wir haben sehr darum gekämpft und kämpfen weiter, damit es eine
gemeinsame Regierung gibt.
Aber
das kurdische Volk weiß sehr genau: nicht der Staat, die Staatenlosigkeit hat
Tahir umgebracht.
Denn
wir wissen auch, dass Millionen Genugtuung über den Tod unseres Botschafters
des Friedens* empfinden. In Ankara sitzt eine Regierung, die diesen Schmerz nicht
empfindet. Wie können wir sagen, dass das unsere Regierung ist. Wie können wir
eine Gesellschaft zusammenhalten, die nicht mal fähig ist, verbunden im Schmerz
zu sein.
Das
Erbe des Vorsitzenden Tahir wiegt schwer, aber unser Volk wird seine
historische Verantwortung beim Schultern dieses Erbes nicht vergessen. Wir
werden den gemeinsamen Kampf verbreitern und weiterführen, bis die Karawane der
Freiheit ihr Ziel erreicht hat.
Wir
wollten nicht, dass so etwas passiert. Ruhe in Frieden.
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*A.
d. Ü.: Elçi bedeutet wörtlich Botschafter.